Gedichte von Irmingard M. Schöne

 

Aus Mittendrin

 

Wär' ich ein Mann     oder
Walk of Life

Wär' ich ein Mann, möchte ich gern Mark Knopfler sein,
und ungebändigt so wie er, mit power auf der Bühne
rocken.
Mein Stirnband bändigt nur die leicht ergrauten Locken.

Meine Gitarre spiel ich virtuos, mal zärtlich und mal wild.
"Brothers in Arms" läßt uns dasselbe fühlen,
doch "Sultans of Swing", das reißt euch von den Stühlen.

Obwohl schon legendär,
gehöre ich noch lange nicht zum alten Eisen.
Sing' zornig gegen Kriege, Haß und Enge,
und bade hinterher im rauschenden Applaus der Menge.

Wär' ich ein Mann, möchte ich gern Mark Knopfler sein,
und ungebändigt so wie er, mit power auf der Bühne
rocken.
Stattdessen bin ich eine Frau -
und wasche meinem Mann die Socken.

Walk of Life.

 

Neugeborenes Kind

Pst. Sei bitte leise.
Hinter meinem Kind liegt eine weite Reise.

Der erste Tag im Frühling Deines Lebens
gehört uns beiden ganz allein.

So lange trug ich Dich in mir,
nun nehm ich Dich in Augenschein.
So schön wie Du, mein Kind, war keines je zuvor,
so schön wird nie ein anderes sein.
So nehm ich Deine kleinen Hände
und schließe sie in meine ein.

Der erste Tag im Frühling Deines Lebens
gehört uns beiden ganz allein.

Pst. Sei bitte leise.
Vor meinem Kind liegt eine weite Reise.

 

Sommer

Endlich ... bricht er an, reißt mich mit,
versetzt meinem Heimweh einen Tritt.
Endlich ... befreit die Arme ausbreiten,
Meeresstrand, endlose Weiten.
Feiner Sand unter bloßen Füßen.
Endlich ... den Sommer begrüßen.

Noch einmal ... den Tag verbummeln, nichts denken,
sich nur an den Augenblick verschenken.
Noch einmal ... unvernünftig sein, sich treiben lassen,
keine Angst, auch nicht die, etwas zu verpassen.
Ganz einfach eben,
Noch einmal ... den Sommer erleben.

Zuletzt ... bleiben Sonnenbrand, vielleicht ein paar
Falten,
der heiße Flirt beginnt zu erkalten.
Zuletzt ... bleiben Rosen, verwelken im Zimmer,
doch die inneren Rosen, sie blühen für immer.
Gereift und gelassen.
Zuletzt ... den Sommer ziehen lassen.

 

Aus Ohne Träume wäre das Leben ein Alptraum

 

Er und ich

Er läßt mich los und hält mich dadurch fest.
Ich laß mich bei ihm fallen, weil er mich nicht fallen läßt.

So fern und doch so nah sind jene Stunden,
als ich mich an ihn verlor und dadurch neu gefunden.

Scheint mir auch heute schwer,
was gestern schwerelos erschien,
mit einem Lächeln kämpf ich gegen viele kleine Tode,
mit einem Lächeln kämpf ich auch für ihn.

 

Alte Frau

Alte Frau mit gekrümmten Fingern. Den schmalen
goldenen Ring kann sie nicht mehr
abstreifen
möchte sie, was ihr auf der Seele lastet.
Bleiern und
schwer
geht ihr Atem. Gedankenfetzen huschen vorbei.
Lassen sich nicht
festhalten
an allem was Halt verspricht. Unsichere Schritte.
Den engen Flur
auf und ab
ein Leben lang. Gestern erst ein fröhliches Mädchen
mit zwei Zöpfen
tiefschwarz
wie das Kleid ihrer Mutter. Seit sie den Vater
wegtrugen
für immer
der einzige Schatten auf jenem bunt verklärten Bild,
das sie weich stimmt und
warm
rinnt es aus ihr. Blutspuren auf weißem Niemandsland.
Erschrocken wegwischt, doch unauslöschlich
rot
auch ihre Wangen, als einer sie nimmt ohne viel Rücksicht
auf ihn, den treusorgenden Gatten. Über den Tod hinaus.
Letzte Lügen aus
Liebe
trotz allem. Ihr Sohn kommt nicht mehr. Selten die Tochter
und das Enkelkind mit unbefangener Neugier
im Gesicht
der alten Frau spielt ein Lächeln. Und durch gekrümmte
Finger gleitet ein
roter Faden.

 

Erfahrungen

"Was willst denn du, ein Mädchen aus dem mittleren Schwarzwald,"
gab mein Deutschlehrer auf den Weg mir
einst mit. Ein Satz wie ein Tritt.

"An Ihrer Lyrik besteht kein Interesse," so, bis auf einen
die Verlage. "Anbei Ihre Unterlagen zurück,
woanders viel Glück."

Vielleicht bei der Zeitung. Aber da landen bislang
die Texte von mir
im Altpapier.

"Eine Lesung? Mit Ihnen? Nein danke!"
spricht ein Kulturexperte telefonisch knapp
mir jegliche Qualitäten ab.

Ein Vetter durchsucht mein ganzes Buch nach unmoralischen Stellen.
Und entsetzt liest er auf dem 43. Blatt,
wie ein junges Mädchen "gesündigt" hat.

Eine Schriftstellerin lobt mich, daß ihr meine Gedichte gefielen,
nur mein Stil, schreibt sie, und das täte ihr leid,
passe so gar nicht in die heutige Zeit.

Doch wenn nur ein Vers, eine einzige Zeile,
einem Menschenherzen innewohnt,
hat sich alles gelohnt.

 

Bisher unveröffentlicht

 

Das Wiedersehen

Zufällig sieht sie ihn kommen.
Für ihn hätte sie Moral und Gewissen
beinahe über Bord geschmissen
mitsamt den Sprüchen, den frommen.

Später sieht sie ihn tanzen.
Mit ihm ­ wie lange ist das her,
erkennt er sie denn wirklich nicht mehr?
So enden "Beinahe"-Romanzen.

Zuletzt sieht sie ihn gehen.
Durch ihn begegnen sich unmittelbar
die Frau, die sie ist und die Frau, die sie war,
vielleicht um sich neu zu verstehen.

 

Alle Copyright © Irmingard M. Schöne 1996/1998/1999.

Kurze biographische Information zu Irmingard M. Schöne

Zur Prosa von Irmingard M. Schöne

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